
Schwedischer Journalisten wegen angeblicher Erdogan-Beleidigung verurteilt

Wegen des Vorwurfs der Beleidigung des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan ist ein schwedischer Journalist am Mittwoch in Ankara zu elf Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden. Joakim Medin war Ende März bei seiner Ankunft am Istanbuler Flughafen festgenommen worden, nachdem er zur Berichterstattung über die jüngsten regierungskritischen Massenproteste in der Türkei gereist war. Dem Reporter der Zeitung "Dagens ETC" wird neben Präsidentenbeleidigung auch Mitgliedschaft in einer Terrororganisation vorgeworfen, er muss daher in Untersuchungshaft bleiben.
Nach der Urteilsverkündung am Mittwoch ordnete der Vorsitzende Richter zwar Medins Freilassung an. Wegen der Terrorvorwürfe bleibt er jedoch in Haft. Ein Prozesstermin in diesem Fall steht noch nicht fest. Im Falle einer Verurteilung wegen Terror-Unterstützung drohen dem Reporter bis zu neun Jahre Gefängnis.
Die türkischen Behörden werfen Medin unter anderem vor, im Januar 2023 an einer Demonstration der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) in Stockholm teilgenommen zu haben, bei der Demonstranten eine Erdogan-Puppe aufgehängt hatten. Dieselbe Puppe tauchte Monate später mit einer LGBTQ-Flagge ausstaffiert auf einem Wagen kurdischer Aktivisten bei der Stockholmer Pride-Parade auf.
Laut Anklage wurden mehrere von Medin verfasste Artikel mit Fotos der als beleidigend eingestuften Erdogan-Puppe bebildert. In dem Prozess am Mittwoch betonte der Reporter, er sei zum Zeitpunkt der Demo im Januar 2023 nicht in Schweden gewesen, sondern habe in Deutschland gearbeitet. Zwar habe er mehrere Artikel über das zeitweise durch die Türkei blockierte Nato-Beitrittsgesuch Schwedens geschrieben, für deren Bebilderung sei er aber nicht verantwortlich, sondern die Redaktion seiner Zeitung.
"Jeder im Gerichtssaal hat gemerkt, dass er vollkommen unschuldig ist", sagte der schwedische EU-Parlamentarier Jonas Sjöstedt der Nachrichtenagentur AFP im Gericht in Ankara. "Alles was er getan hat, ist journalistisch zu arbeiten." Die Türkei liegt in der Pressefreiheits-Rangliste von Reporter ohne Grenzen auf Platz 158 von 180.
Die Inhaftierung des schwedischen Journalisten weckt Erinnerungen an den Fall des deutschen Journalisten Deniz Yücel, der 2017 während seiner Tätigkeit als Auslandskorrespondent der "Welt" festgenommen worden war und monatelang im Gefängnis saß.
Yücel war nach seiner Rückkehr nach Deutschland 2020 in der Türkei in Abwesenheit wegen des Vorwurfs der "Terrorpropaganda" verurteilt worden. Die juristische Verfolgung des Journalisten hatte zu erheblichen diplomatischen Spannungen zwischen Berlin und Ankara geführt.
Die türkisch-schwedischen Beziehungen waren zuletzt erheblich belastet, weil die Türkei den 2024 erfolgten Beitritt Stockholms zur Nato lange Zeit blockiert hatte.
S.Morin--SMC