
Britische Rechtspopulisten gewinnen Sitz im Unterhaus und legen in Kommunen zu

Herber Schlag für den britischen Premierminister Keir Starmer: Die rechtspopulistische Oppositionspartei Reform UK hat bei einer Nachwahl im Nordwesten Englands einen bisher von Starmers Labour-Partei gehaltenen Parlamentssitz gewonnen. Reform-UK-Kandidatin Sarah Pochin setzte sich im Wahlkreis Runcorn and Helsby mit nur sechs Stimmen Vorsprung gegen ihre Labour-Konkurrentin Karen Shore durch. Auch bei den zeitgleich stattgefundenen Kommunalwahlen zeichneten sich Gewinne für Reform UK ab. Labour und die konservativen Tories erlitten Verluste.
Mit dem neu gewonnen Parlamentssitz stellt die Partei des früheren Brexit-Aktivisten Nigel Farage im britischen Unterhaus künftig sechs von 650 Abgeordneten. Der Parlamentssitz für Runcorn and Helsby wurde neu besetzt, nachdem der bisherige Mandatsinhaber von der Labour-Partei wegen Körperverletzung verurteilt worden war.
Für Reform UK ist es der erste Sieg bei einer Nachwahl in der jungen Parteigeschichte, für Labour die erste Niederlage seit dem Sieg bei der Unterhauswahl im vergangenen Sommer. Damals hatte Labour den Wahlkreis Runcorn and Helsby noch mit 53 Prozent der Stimmen noch haushoch gewonnen, während Reform UK nur 18 Prozent erreichte.
Parteichef Farage sprach nach Shores Wahlsieg in dem Wahlkreis von einem "wirklich, wirklich großen Augenblick" für Reform UK. Politikwissenschaftler John Curtice sprach in der BBC von einem klaren Anzeichen dafür, dass die rechtspopulistische Partei eine "bedeutende Herausforderung" sowohl für Labour als auch für die bis 2024 regierenden Konservativen unter ihren neuen Parteichefin Kemi Badenoch darstelle.
Auch bei den Kommunalwahlen in England zeichneten sich ersten Ergebnissen zufolge deutliche Zugewinne für Reform UK sowie für die linksgerichteten Grünen und die Liberalen ab. Labour und die konservativen Tories, die beiden traditionell tonangebenden Parteien im vom Mehrheitswahlrecht geprägten britischen Parteiensystem, erlitten dagegen Einbußen. Reform UK gewann nach den am Freitagmorgen vorliegenden Daten dutzende zusätzliche Sitze in Kommunalparlamenten.
Bei der Bürgermeisterwahl im Kreis Greater Lincolnshire setzten sich die Rechtspopulisten einer Prognose der BBC zufolge durch, in North Tyneside gewann Labour nur knapp, während Reform UK um 26 Prozentpunkte zulegte.
Sollte sich die Tendenz bestätigen, wäre das ein weiterer Schritt in der Entwicklung vom seit Anfang des 20. Jahrhunderts bestehenden Zwei-Parteien-System hin zu einer vielfältigeren Parteienlandschaft in Großbritannien.
Insgesamt stimmten die Wähler über 1640 Sitze in 23 Gemeinderäten ab, in sechs Städten und Gemeinschaften wurden die Bürgermeister neu gewählt. Die Wahlen galten als Stimmungstest für Starmers Labour-Partei, die bei der Parlamentswahl im vergangenen Juli eine historisch große Anzahl an Sitzen gewonnen hatte. Die nächste Unterhauswahl dürfte im Land im Jahr 2029 stattfinden.
W.Fortin--SMC