
US-Regierung warnt Israel vor einer Annexion des Westjordanlands

Die USA drängen Israel massiv, von Plänen zur Annexion des Westjordanlands abzusehen. US-Außenminister Marco Rubio, der am Donnerstag in Israel eintraf, warnte die israelische Regierung schon vor seiner Abreise vor einer Annexion, nachdem das Parlament in Jerusalem zugestimmt hatte, zwei entsprechende Gesetzentwürfe voranzubringen. US-Vizepräsident JD Vance nannte diesen Schritt "sehr dumm". Massive Kritik kam auch von einer Reihe arabischer und muslimischer Staaten.
"Ich denke, der Präsident hat deutlich gemacht, dass wir das derzeit nicht unterstützen können", sagte Rubio vor seiner Abreise. Annexionsbestrebungen seien eine "Bedrohung für den Friedensdeal", warnte er bezugnehmend auf den Friedensplan von US-Präsident Donald Trump, auf dessen Basis das Waffenruhe-Abkommen zwischen Israel und der islamistischen Palästinenserorganisation Hamas am 10. Oktober zustande gekommen war.
Washington sei "besorgt über alles, was das, woran wir gearbeitet haben, zu destabilisieren droht", sagte Rubio, der noch am Donnerstagabend mit Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu zusammenkommen wollte. Das von Trump vorangetriebene Abkommen sei "historisch". "Jetzt müssen wir sicherstellen, dass es weitergeht."
Trump selbst kündigte in einem am Donnerstag veröffentlichten Interview mit dem US-Magazin "Time" an, Israel seine Unterstützung zu entziehen, sollte es das besetzte Westjordanland annektieren. In dem Interview vom 15. Oktober sagte Trump auf eine entsprechende Frage: "Israel würde jegliche Unterstützung der Vereinigten Staaten verlieren, wenn das passieren würde."
Zugleich zeigte sich Trump überzeugt, dass Israel das Westjordanland nicht annektieren werde. "Es wird nicht passieren, weil ich den arabischen Ländern mein Wort gegeben habe. Und das können wir jetzt nicht tun."
Die USA sind Israels wichtigster Verbündeter. Trump hatte die Waffenruhe maßgeblich vermittelt und Israel bereits im September vor einer Annexion des Westjordanlandes gewarnt. Dennoch stimmte das israelische Parlament am Mittwoch dafür, zwei Gesetzentwürfe zur Annexion des Westjordanlandes voranzubringen.
Der erste Gesetzentwurf sieht die Ausweitung israelischen Rechts auf alle Siedlungen im Westjordanland vor. Bei dem zweiten, begrenzteren Entwurf geht es um die Annexion einer größeren Siedlung östlich von Jerusalem. Rechtsgerichtete Abgeordnete unterstützen beide Entwürfe - obwohl sich Israels Regierungschef Netanjahu und die Mehrheit seiner Likud-Partei ausdrücklich gegen einen solchen Schritt zum jetzigen Zeitpunkt ausgesprochen haben.
Die Abstimmungen am Mittwoch fielen mit dem Besuch von US-Vizepräsident Vance zusammen. "Wenn das ein politischer Trick war, dann war es ein sehr dummer politischer Trick", sagte Vance kurz vor seiner Abreise am Donnerstag. Er persönlich empfinde den Schritt "als Beleidigung". Vance bekräftigte die unveränderte US-Position zum Westjordanland: "Die Politik der Trump-Regierung sieht vor, dass das Westjordanland nicht von Israel annektiert wird."
Mehr als ein Dutzend arabischer und muslimischer Länder verurteilten am Donnerstag in einer gemeinsamen Erklärung die Prüfung der beiden Gesetzesvorschläge. "Saudi-Arabien, Jordanien, Indonesien, Pakistan, die Türkei, Dschibuti, Oman, Gambia, Palästina, Katar, Kuwait, Libyen, Malaysia, Ägypten, Nigeria, die Arabische Liga und die Organisation für Islamische Zusammenarbeit verurteilen mit größter Entschiedenheit die Verabschiedung dieser Gesetzesvorschläge durch die israelische Knesset", heißt es in Erklärung, in der von einem "eklatanten Verstoß gegen das Völkerrecht" die Rede ist.
Zahlreiche arabische und muslimische Länder, um deren Unterstützung Washington im Hinblick auf eine Stabilisierungstruppe im Gazastreifen geworben hatte, betrachten eine Annexion des Westjordanlands durch Israel als eine rote Linie. Am Donnerstagabend meldeten ägyptische Staatsmedien, Vertreter von Hamas und der gemäßigteren Fatah seien in Ägypten zusammengetroffen, um über die Zukunft des Gazastreifens zu sprechen.
O.Gauthier--SMC