
"Koalition der Hoffnungslosigkeit": Linke stimmt sich auf Oppositionsrolle ein

Mit scharfer Kritik an der künftigen Regierung und einem Aufruf zur Geschlossenheit hat sich die Linke auf ihre Rolle als starke soziale Opposition eingestimmt. Ko-Parteichef Jan van Aken warnte am Samstag auf dem Parteitag in Chemnitz vor einer "abgehobenen" Politik von Kanzler Friedrich Merz (CDU) für Reiche, Fraktionschef Sören Pellmann sprach von einer "Koalition der Hoffnungslosigkeit". Die Partei betonte auch ihre neuen Stärke im Parlament.
Die Linke ringt seit ihrem Erfolg bei der Bundestagswahl um ihre künftige Ausrichtung und den Umgang mit ihren vielen Neumitgliedern. Am Freitag war beim ersten Tag des Bundesparteitags mit großer Mehrheit ein Leitantrag des Parteivorstands verabschiedet worden, der den Fokus auf Themen wie Armut und Ungleichheit, Sozialkürzungen, Aufrüstung und Rechtsruck legt. Die Linke strebt außerdem eine Weiterentwicklung zu einer "sozialistischen Mitgliederpartei" an, die sich "für die arbeitende Klasse" einsetzt.
Am Samstag hagelte es vor allem Kritik an der schwarz-roten Bundesregierung. Merz sei ein Millionär und habe sich nun noch mehr Millionäre in sein "Gruselkabinett" geholt, "um Politik für Millionäre zu machen", sagte van Aken. Er erwarte, dass die neue Regierung um Merz und Vizekanzler Lars Klingbeil (SPD) keine Politik "für alle Menschen" machen werde. Die größten Sorgen der Menschen seien hohe Mieten, steigende Preise und Angst vor Armut.
Im Koalitionsvertrag kämen die hohen Lebensmittelpreise und die Inflation hingegen "überhaupt nicht vor", sagte van Aken. "Die wissen überhaupt nicht, was hier unten los ist", sagte der Ko-Parteichef an die schwarz-rote Koalition gerichtet. Stattdessen würden hunderte Milliarden Euro für Aufrüstung freigegeben und es drohten Kürzungen im sozialen Bereich. Die wahre Grenze im Land verlaufe zwischen unten und oben.
Pellmann sieht in dem Koalitionsvertrag ein "Dokument der Ignoranz, der Einfallslosigkeit und der sozialen Kälte". Mit diesem Koalitionsvertrag werde die Regierung scheitern und die Linke werde sie immer wieder daran erinnern, "wie soziale Politik richtig gemacht wird". Der Ko-Fraktionschef kritisierte vor allem die geplante verschärfte Asyl- und Migrationspolitik. "Wer aus Angst vor den Rechten rechte Politik macht, der kann nur verlieren", sagte er. Dagegen werde die Linke Widerstand leisten.
Der Ko-Fraktionschef sieht die neue Regierung außerdem bereits vor ihrem Start durch das Debakel um die Wahl von Merz zum Kanzler geschwächt. Dass dieser erst im zweiten Anlauf gewählt wurde, sei "mehr als nur ein blaues Auge für diese Koalition" gewesen, sagte Pellmann in seiner Parteitagsrede. Das habe gezeigt, "wie bröckelig" und "schlecht vorbereitet" die Koalition an den Start gegangen sei. Die Union sei dann im Bemühen um einen erneuten Wahlgang "demütig" auf die Linke zugegangen.
Vor dem Hintergrund dieser Stärke im Parlament hält die Linke den Unvereinbarkeitsbeschluss der CDU mit ihrer Partei für überholt. Ko-Parteichefin Ines Schwerdtner sagte in der ARD, dieser Beschluss sei "vollkommen aus der Zeit gefallen". In den Landesparlamenten gebe es bereits eine Zusammenarbeit. Außerdem werde die Regierung auch für kommende Zweidrittelmehrheiten im Bundestag auf die Linke angewiesen sein. "Auch die CDU muss begreifen, dass sie an uns nicht mehr vorbeikommt."
Mit der Linken gilt bei der CDU eigentlich ein Unvereinbarkeitsbeschluss, der eine Zusammenarbeit ausschließt. Dieser wurde bei einem CDU-Parteitag 2018 gefasst. Für dessen Abschaffung hatte sich am Mittwoch aber bereits Kanzleramtschef Thorsten Frei (CDU) offen gezeigt.
Auf dem Parteitag in Chemnitz wurde am Samstag auch eine Reihe von Anträgen debattiert. Zustimmung fanden unter anderem Anträge gegen die Wiedereinführung der Wehrpflicht, die Migrationspolitik der neuen Bundesregierung und gegen Polizeigewalt.
Hitzig wurde es erneut beim Thema Nahost: Ein gemeinsamer Beschluss der Partei zu verschiedenen außenpolitischen Anträgen, der unter anderem ein Ende der Hungersnot im Gazastreifen fordert, wurde angenommen. Ein weiterer Antrag zur begrifflichen Definition von Antisemitismus, der eigentlich überwiesen werden sollte, musste nach einem entsprechenden Votum letztlich doch bearbeitet werden und wurde schließlich angenommen.
J.Campbell--SMC